Zur Inklusion von geflüchteten Schüler:innen
- Geflüchtete Schüler:innen: Der Einstieg in die Schule
- Der Kulturschock
- Was kann ich als Lehrkraft beachten?
- Wie gelingt gezielte Sprachförderung im Schulalltag – und welche Materialien helfen dabei?
- Was kann ich als Lehrkraft beachten?
- Systemwissen „Schule“
- Was kann ich als Lehrkraft beachten?
- Weitere Tipps zur Inklusion geflüchteter Schüler:innen in der Schule
- Habe dich auch selbst im Blick und hole dir ggf. Unterstützung!
- Hier findest du passende Fortbildungskurse zum Thema bei meinUnterricht

In einer Zeit, in der die Vielfalt in unseren Klassenzimmern stetig wächst, spielen Lehrkräfte eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung einer inklusiven Lernumgebung für alle Schüler:innen. Die Inklusion geflüchteter Kinder und Jugendlicher erfordert dabei ein besonderes Maß an Teilnahme und Engagement. Dieses Dossier möchte Lehrkräfte dabei unterstützen, ihre Rolle dabei mit Selbstvertrauen und Kompetenz ausfüllen zu können.
Von: Manon Diederich & Sonja Esters von subVision
Die Inklusion geflüchteter Schüler:innen stellt das deutsche Schulsystem seit einigen Jahren vor sichtbare Herausforderungen. Allein durch die Aufnahme von 250.000 ukrainischen Schüler:innen stehen wir vor einer Situation, die viel Aufmerksamkeit und Engagement erfordert.
Trotz aller Widrigkeiten, birgt dies auch Chancen: Einerseits können wir den ukrainischen Schüler:innen in ihrer Notsituation zumindest ein größtmögliches Maß an Sicherheit, Stabilität und Bildung bieten. Andererseits ergibt sich die Chance, aus diesem Lernprozess Erkenntnisse zu gewinnen, die allen Schüler:innen mit Flucht- und Zuwanderungserfahrung und letztendlich dem gesamten Schulwesen zugutekommen.
📘 Vertiefende methodisch-didaktische Impulse zur Arbeit mit mehrsprachigen Klassen findest du auch auf unserer Themenseite zu Mehrsprachigkeit im Unterricht.
💔 Die meisten geflüchteten Schüler:innen haben traumatische oder zumindest stark belastende Erfahrungen gemacht: Sie mussten sich plötzlich von Freund:innen und Familienmitgliedern trennen, manchmal sogar von einem oder beiden Elternteilen. Sie haben Angst um ihre Liebsten und wissen, dass eine Rückkehr in ihre vertraute Umgebung jedenfalls zeitnah unmöglich ist. Gleichzeitig müssen sie sich in einer neuen Umgebung zurechtfinden, in der sie die Sprache nicht sprechen, das Schulwesen und die Unterrichtsformen nicht kennen. Hinzu kommt, dass auch ihre Familienangehörigen sich oft emotional belastet und orientierungslos fühlen.
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➡️ Um diesen Schüler:innen eine erfolgreiche Bildungsinklusion zu ermöglichen, benötigen sie eine entsprechende Begleitung seitens der Lehrkräfte. Dieses Dossier möchte dich als Lehrkraft auf diesem Weg unterstützen und erste Impulse als Hilfestellung liefern. Für zusätzliche Unterstützung im Bereich der Sprachförderung empfehlen wir dir unsere Arbeitsmaterialien für Deutsch als Zweitsprache.
Geflüchtete Schüler:innen: Der Einstieg in die Schule
Geflüchtete Kinder, sowie ihre Eltern, befinden sich nach ihrer Ankunft und während des Schulbeginns in einer Phase der emotionalen Belastung, Ungewissheit und Orientierungsfindung. Um Ihnen einen guten Start zu ermöglichen sind Freundlichkeit und Offenheit, sowie die Schaffung eines beständigen und sicheren Umfeldes die wichtigsten Eigenschaften schulischer Bezugspersonen. Alleine das kann Schüler:innen emotional schon enorm entlasten!
Darüber hinaus ist es wichtig einige wesentliche Aspekte, die die Erfahrungen geflüchteter Schüler:innen prägen, im Umgang mit ihnen zu berücksichtigen:
- Der Kulturschock
- Traumatische Erfahrungen
- Fehlende Deutschkenntnisse
- Mangelnde Kenntnisse über das Schulsystem
Der Kulturschock
Der Kulturschock beschreibt einen psychologischen Anpassungsprozess, den Menschen typischerweise durchlaufen, wenn sie sich für eine längere Zeit in einer Lebensumgebung befinden, die erheblich von ihrer bisherigen abweicht. Die einzelnen Phasen können individuell unterschiedlich intensiv durchlaufen werden, auch können sie zyklisch wieder eintreten. Für geflüchtete Schüler:innen ist dieser Prozess häufig besonders herausfordernd, da sie sich ohnehin in einem Zustand starker emotionaler Belastung befinden. Die Kenntnis der Phasen kann dir als Lehrer:innen dabei helfen, die kognitiven und emotionalen Herausforderungen migrierter Schüler:innen besser zu verstehen und adäquat darauf zu reagieren.
Was kann ich als Lehrkraft beachten?
👐 Es ist wichtig, Schüler:innen zu beobachten und sie gegebenenfalls zu unterstützen. Wenn man beispielsweise merkt, dass sie starke emotionale Reaktionen zeigen (Rückzug, Apathie oder Aggressivität), dann kann es sein, dass sie sich in der Phase der Entfremdung befinden. Hier hilft es, empathisch zu sein, mit dem Kind zu sprechen und ihm – oder seinen Eltern – ein paar grundlegende Ratschläge mit auf den Weg zu geben:
🌻 Sofern es möglich ist, sollte das Kind "Wohlfühlmomente" erleben, in denen es sich entspannen und loslassen kann. Dies kann z.B. durch das Einnehmen vertrauter Mahlzeiten, bewusste Zeit mit vertrauten Menschen in der vertrauten Sprache oder auch das Schauen vertrauter Serien oder Filme geschehen. Diese Momente bieten eine emotionale Entlastung und können das Entfremdungsgefühl sowie den psychischen und physiologischen Stress lindern.
💭 Solltest du das Gefühl haben, dass ein Kind sich in einer Phase der Eskalation befindet, die sich zunehmend verschlechtert, kann die Unterstützung von psychosozialen Berater:innen notwendig sein.
Aufgepasst! Du bist kein/e Therapeut:in und nicht entsprechend geschult. Wende dich, wenn du betroffene Schüler:innen hast, an entsprechende Expert:innen. Tipps, wie du mit akut auftretenden Stress- oder Angstmomenten traumatisierter Schüler:innen umgehen kannst, findest du hier von Refugee Trauma Help.
Wie gelingt gezielte Sprachförderung im Schulalltag – und welche Materialien helfen dabei?
Die meisten geflüchteten Kinder sprechen kein Deutsch, wenn sie in die Schule kommen. Der Erwerb der Bildungssprache trägt jedoch entscheidend zu ihrer Orientierung, ihrem Selbstbewusstsein und ihrem Bildungserfolg bei. Deshalb bildet eine diesbezügliche Sprachförderung einen Grundpfeiler der schulischen Inklusion. Wie diese strukturell umgesetzt werden soll, ist umstritten. Separater Unterricht, zum Beispiel in Vorbereitungsklassen, erleichtert die bedarfsgerechte Förderung, birgt jedoch die Gefahr, entsprechende Schüler:innen aus dem schulischen Sozialgefüge zu separieren und zu stigmatisieren. Ein mögliches Modell, um gezielte Sprachförderung und soziale Inklusion zu verzahnen, wird hier kurz vorgestellt: Das Sprachband.
💛 In unserem Dossier „Deutsch als Zweitsprache – DaZ“ erhältst du fundierte Einblicke in die Grundlagen und Herausforderungen der Sprachförderung im schulischen Alltag.
Noch praxisnäher wird es in unserem Beitrag zu 5 erprobten Tipps mit DaZ-Materialien für Grundschule und Sekundarstufe I, inklusive direkt einsetzbarer Arbeitsblätter.
Was kann ich als Lehrkraft beachten?
- Alle Kinder bringen bereits Sprachkenntnisse mit, die als Kompetenzen wertgeschätzt werden sollten. Vermeide Verbote gegenüber Schüler:innen, sich untereinander in ihrer Muttersprache zu unterhalten.
- Tänzerische, musikalische und künstlerische Gestaltungsangebote, nonverbale Kommunikationsspiele oder die Verwendung von Erläuterungen in den jeweiligen Muttersprachen können im Unterricht dazu beitragen, das soziale Miteinander und die Kommunikationsbereitschaft aufzubauen. Sie behindern nicht den Erwerb der deutschen Sprache.
- Kinder und Jugendliche lernen neue Sprachen meist schneller als ihre Eltern und übernehmen deshalb nicht selten die Rolle von Sprachvermittler:innen. Dies geht mit einer großen Verantwortung einher und kann zu einer Überforderung der Schüler:innen führen. Sei dir dessen bewusst und versuche, wenn möglich, auf andere Kommunikationswege mit den Eltern zurückzugreifen.
💛 In unserem Dosser "Elterngespräche führen - ein Leitfaden für Lehrkräfte" findest du viele Helfestellungen und Tipps für ein gelungenes Elterngespräch.
Systemwissen „Schule“
Auch Bildungsinstitutionen unterscheiden sich kulturell voneinander. Die meisten geflüchteten Schüler:innen kommen aus Bildungskontexten, die anders strukturiert sind als das deutsche. Sowohl den Schüler:innen als auch ihren Eltern fehlt es an nötigem Wissen zum hiesigen "System Schule", um sich schnell einzufinden. In manchen Herkunftskontexten ist es z.B. ungewöhnlich, dass Eltern mit der Schule Kontakt aufnehmen und/oder aktiv eingebunden werden. Für die Schüler:innen können Unterrichtsmethoden wie z.B. die Gruppenarbeit ungewohnt sein.
Was kann ich als Lehrkraft beachten?
Als Lehrkraft ist es wichtig, sich bewusst zu sein, dass das Wissen über"die Schule" in Bezug auf Schulformen, Abläufe, Leistungserwartungen, Umgangsformen und Unterrichtsmethoden unterschiedlich sein kann. Das Einholen von Informationen – durch konkretes Nachfragen zum Beispiel - kann helfen, einen Perspektivenwechsel zu vollziehen und eigene Voreingenommenheiten gegenüber dem Verhalten einiger Kinder und Eltern zu überdenken. Dies führt häufig zu einer Entspannung von Beziehungen, einer emotionalen Entlastung und unterstützt den Bildungserfolg der Kinder. Daher ist es ratsam, Abläufe und Erwartungen immer wieder genau und klar zu erläutern und hierbei auch schriftliche Übersetzungen und Dolmetscher:innen einzubinden.
Aufgepasst! Auch negative Erfahrungen mit staatlichen Institutionen, sowie Scham und Unsicherheiten (z.B. aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse) sind weitere Faktoren, die das Verhalten von Eltern gegenüber der Schule stark beeinflussen können. Insgesamt sind solche Missverständnisse oder Ängste häufiger Gründe für ein zurückhaltendes Verhalten der Eltern, als ein tatsächliches Desinteresse am schulischen Erfolg ihrer Kinder.
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Weitere Tipps zur Inklusion geflüchteter Schüler:innen in der Schule
- Es ist wichtig, transkulturelle Sensibilität und die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel in Schulen zu fördern. Die gesamte Schulgemeinschaft sollte für die Herausforderungen im Kontext von Schule und Flucht sensibilisiert werden. Dies beinhaltet auch die Reflexion von Lehrinhalten und die Einbeziehung von Grundlagen der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) und des Globalen Lernens. Entsprechende Informationsveranstaltungen und Schulungen können dazu beitragen, ein unterstützendes, inklusives Umfeld zu schaffen, von dem alle profitieren.
👉 Ein hilfreicher Ansatz ist hier der sprachsensible Unterricht, der Lerninhalte so vermittelt, dass auch sprachlich benachteiligte Schüler:innen aktiv teilhaben und fachlich mitlernen können. - Regelmäßiger Austausch mit den Schüler:innen und ihren Eltern kann dabei helfen, individuelle Förderpläne zu erstellen und geeignete Unterstützungsmaßnahmen zu identifizieren. Dies hilft nicht nur, einen guten Kontakt aufzubauen, sondern auch den eigenen Unsicherheiten und den Unsicherheiten der Eltern entgegenzuwirken.
- Wie alle Kinder besitzen auch geflüchtete Kinder viele unterschiedliche Interessen und Fähigkeiten sowie Kompetenzen, die sie teilweise auch durch ihre Fluchterfahrung erworben haben. Vermeide es, die Kinder aus einer Defizitperspektive zu betrachten. Auch wenn sie spezielle Unterstützung brauchen, besitzen zugewanderte und geflüchtete Kinder zahlreiche Kompetenzen, die häufig zu niedrig eingeschätzt und unzureichend gefördert werden.
👉 Ein wertvoller Impuls in diesem Zusammenhang ist die vorurteilsbewusste Pädagogik, die dabei hilft, Potenziale zu erkennen, Stereotype zu hinterfragen und eine Lernumgebung zu schaffen, in der alle Schüler:innen wertgeschätzt werden.
Habe dich auch selbst im Blick und hole dir ggf. Unterstützung!
Wichtig ist auch, seine eigenen Grenzen in Bezug auf das, was man als Lehrkraft leisten kann, zu kennen und zu berücksichtigen. Fragen wie „Kann ich gerade souverän mit der Situation umgehen oder fühle ich mich (emotional) überfordert?“, „Habe ich die entsprechenden Fachkenntnisse oder fehlt es mir an Wissen?“ können dabei helfen, die eigenen Grenzen zu eruieren. Seid ehrlich zu euch selbst und tauscht euch im Kollegium darüber aus. Wie könnt ihr euch gegenseitig unterstützen? Wo könnt ihr Hilfestellung bekommen?
💡 Hierzu noch ein Tipp: Healing Classroom stellt ein Konzept dar, das sich sowohl mit den Bedürfnissen zugewanderter und geflüchteter Schüler:innen als auch mit der Selbstfürsorge und dem Wohlbefinden der Lehrpersonen beschäftigt.
🤝 Es gibt viele Netzwerke, Organisationen und Ressourcen, z.B. lokale NGOs, Flüchtlingshilfeorganisationen und Bildungsbehörden, die Unterstützung für geflüchtete Schüler:innen und ihre Familien bieten. Zögert nicht, diese anzusprechen und auf diese Angebote zurückzugreifen bzw. darauf zu verweisen.
Du möchtest noch mehr wissen?
Hier findest du passende Fortbildungskurse zum Thema bei meinUnterricht
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