Umgang mit Unterrichtsstörungen

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Unterrichtsstörungen – oder: der ganz normale Wahnsinn – sind für jede Lehrkraft eine große Herausforderung. Doch mit einer guten Prävention lassen sie sich erheblich reduzieren. Was ihr dabei beachten müsst? Wir haben einige Hintergrundinfos und Tipps für euch zusammengestellt.

Zuspätkommen, Gespräche, nicht gemachte Hausaufgaben, Beleidigungen – manchmal scheint der Lehreralltag aus einer Aneinanderreihungen von Unterrichtsstörungen zu bestehen. Und das ist leider gar nicht mal so falsch beobachtet: statistisch gesehen wird alle 2,6 Minuten der Unterricht durch Schüler gestört. Konzentriertes, kontinuierliches Lehren und Lernen unter diesen Umständen ist, gelinde gesagt, eine Herausforderung.

Um euch dabei zu unterstützen, haben wir daher im Folgenden einige Tipps gesammelt: wie ein pädagogisch sinnvoller Umgang mit Unterrichtsstörungen aussehen kann und mit welchen präventiven Maßnahmen ihr Unterrichtsstörungen den Boden entzieht.

Unterrichtsstörungen: Definition

Was genau ist unter dem Begriff Unterrichtsstörung zu verstehen? Ist es schon eine Störung, wenn zwei Schüler sich über etwas flüsternd austauschen? Der schusselige Kollege aus dem Nebenraum klopft und sich Kreide ausleiht?

Nun – es kommt darauf an. Ganz allgemein gesagt, bezeichnet eine Unterrichtsstörung eine vom Lehrer oder Schülern wahrgenommene Handlung, die vom Unterrichtsgeschehen ablenkt. Das heißt im Umkehrschluss: Was eine Störung ist, hängt immer auch vom subjektiven Empfinden der Lehrperson und der SuS ab. Was den einen zur Weißglut bringt, kann den anderen völlig kalt lassen.

Gerade darin liegt die Herausforderung: Da jeder auf seine einmalig individuelle Weise auf eine Situation reagiert, ist störungsfreier Unterricht, so der Pädagoge Gert Lohmann, eine didaktischen Fiktion. Unterrichtsstörungen gehören – jetzt müsst ihr stark sein – unausweichlich zum Unterricht dazu.

Unterrichtsstörungen verstehen

Umso wichtiger ist es, zu verstehen, wie Unterrichtsstörungen entstehen. Nur so findet ihr den passenden Umgang mit ihnen und könnt konkrete Maßnahmen einleiten. Rolf Arnold und Henning Pätzold nennen in ihrem Buch “Schulpädagogik kompakt” folgende Bereiche, auf die sich Unterrichtsstörungen zurückführen lassen:

Körperliche Ursachen (z.B. Dyslexie oder eine nicht-diagnostizierte Fehlsichtigkeit)

Umweltbedingungen (Elternhaus, Erziehungsstil, überhöhte Erwartungen)

Schulische bzw. unterrichtliche Rahmenbedingungen (Wird der Schüler überfordert bzw. unterfordert?)

Identität (Identitäts- und Rollenlernen, Pubertät, Übergang in die Erwachsenenrolle)

Außerschulische und außerfamiliäre Einflüsse (z.B. Peer-group-Anforderungen)

Ihr seht: Die Gründe für Unterrichtsstörungen sind komplex und vielfältig. Bevor ihr euch also an Präventions- oder Interventionsmaßnahmen macht, versucht herauszufinden, was wirklich dahinter steckt. Vergleicht dazu Beurteilungen mit anderen Lehrkräften. Wechselt die Perspektive. Führt Gespräche. Hinterfragt aber auch euer Verhalten und euren Unterricht. Die SuS geben euch durch ihr Verhalten unbewusst verschlüsselte Botschaften mit, die es für euch zu entschlüsseln gilt. Aber natürlich gilt dabei auch: Ihr könnte nicht alle Konflikte auf dieser Welt lösen. Am Ende des Tages müsst ihr euch auf eure Steckenpferde konzentrieren: Die Klassenführung und die unterrichtlichen Rahmenbedingungen.

Maßnahmen zur Prävention

Bevor ihr euch fragt, was ihr im Falle einer Unterrichtsstörung tun sollt, solltet ihr euch eine andere Frage stellen: “Was tue ich, damit nicht …?” Mit anderen Worten: Auf die Prävention kommt es an. Mit ihr könnt ihr viele Konflikte verhindern, bevor sie überhaupt entstehen. Außerdem versetzt sich euch in eine aktive, gestaltende Position. Ihr seid viel weniger gezwun

Vier Präventions-Prinzipien

Worauf sollte man bei der Prävention also Wert legen? Dieser Frage gingen einige groß angelegte Beobachtungsstudien des Erziehungs- und Unterrichtspsychologen Jacob Kounin nach. Der Psychologe Hans-Peter Nolting wiederum leitete aus Kounins Beobachtungen ab, dass jene glücklichen Lehrer, in deren Unterricht nur wenige Unterrichtsstörungen stattfinden, eine “breite” Prävention betreiben. Sie folgen vier Präventions-Prinzipien:

  1. Prävention durch breite Aktivierung

Was macht eure Schüler wach und aufmerksam? Wie könnt ihr alle mit einbeziehen? Das Prinzip der breiten Aktivierung dreht sich um etwas ganz grundlegendes: Einen interessanten und aktivierend geführten Unterricht, der so viele Schüler wie möglich anspricht.

Dafür spielen didaktisch-methodische Aspekte eine Rolle, interessante Inhalte, anregende und vielfältige Lehrmethoden sowie ein lebendiger Lehrervortrag.

Aber auch gezielte Verhaltensweisen können positiv auf eine breite Mobilisierung einwirken. Zum Beispiel wandernde Blicke bei einer Lehrerfrage an die ganze Klasse, gut verteiltes Aufrufen oder durch breitgestreute kleine Leistungskontrollen zwischendurch.

  1. Prävention durch Unterrichtsfluss

Ein “fließender” Unterricht ohne große Verzögerungen und Unterbrechungen sollte euer Ziel sein. Denn alles, was von den Schülern als »Wartezeit« oder als Geschehen jenseits des eigentlichen Unterrichts empfunden wird, kann Unruhe fördern: beispielsweise das Aufbauen von Geräten, das Austeilen von Material oder das Einsammeln von Geld. Auch längere Dialoge der Lehrkraft mit einzelnen SuS gehören dazu.

Was ihr also tun könnt? Bereitet den Unterricht gut vor, sorgt für glatte Übergänge zwischen verschiedenen Aktivitäten, vermeidet Wartezeiten sowie unnötige Kommentare zu irgendwelchen Nebenaspekten.  

Wie ihr Übergänge in den Griff bekommt und Übergangssituationen meistert, erfahrt ihr anhand praktischer Beispiele hier, in der Beitragsreihe Classroom Management unseres Gastautors Christoph Eichhorn.

  1. Prävention durch klare Regeln

Das Arbeiten mit Regeln ist die am weitesten verbreitete Präventionsstrategie. Es gibt so viele Regeln für so viele Situationen und sie alle aufzulisten, würde hier deutlich den Rahmen sprengen. Daher eher eine Anmerkung als ein konkreter Regelvorschlag: Versucht euch mit eurer Klasse auf eine überschaubare Zahl von Regeln zu beschränken, die einleuchtend sind und als fair empfunden werden.

Mehr zu Regeln und wie ihr sie in eurer Klasse einführen könnt, findet ihr auf unserem Blogbeitrag zum Klassenklima.

  1. Prävention durch Präsenz- und Stoppsignale

Oft werden Unterrichtsstörungen erst groß, weil die Lehrkraft es verpasst, sofort einzugreifen oder nicht präsent genug ist. Ihr kennt das vielleicht auch: Sobald die SuS spüren, dass sie unbeobachtet sind, fangen sie an herumzualbern. Klassiker sind z.B.: mit dem Rücken lange der Klasse zugewandt sein, um etwas an die Tafel zu schreiben. Oder von Schüler zu Schüler zu schreiten, um die Hausaufgaben zu kontrollieren.

Also, vermeidet Situationen, in denen eure Klasse (oder einzelne Schüler) zu lange unbeobachtet ist. Dies könnt ihr z.B. durch eine Sitzordnung erreichen, die euch Übersicht verschafft und ermöglicht, alle Schüler so gut wie immer zu sehen. Ein No-Go ist es zum Beispiel, die Tische hintereinander zu stellen, da ihr so niemals alle Schüler überblicken könnt. Einen Übersicht über verschiedene Sitzordnungen und ihre Vor- und Nachteile, findet ihr hier.

Zweitens: Seid präsent! Nehmt Augenkontakt mit störenden Schülern auf und signalisiert ihnen durch eure Körpersprache, dass ihr sie “im Visier” habt. Ihr könnt zum Beispiel ein paar Schritte auf die Störer zu gehen, während ihr weiter über das Stundenthema redet. Oder ihr stellt euch zwischen oder vor die Störer. Mehr über die Feinheiten der Körpersprache findet ihr in unserer Buchbesprechung “Körpersprache in der schulischen Kommunikation”.

Zu guter Letzt: auch die bestmögliche Prävention wird nicht jede Störungen verhindern können. In einem Klassenraum treffen nun mal viele verschiedene Prioritäten aufeinander und manchmal ist der Liebeszettel an den Schwarm von gegenüber einfach wichtiger als die historische Analyse von Goethes Faust II. Aber macht euch deswegen nicht verrückt, denn den ungestörten Unterricht, den gibt es nicht.

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