Standardisierte Tests in der Schule?

Standardisierte Tests in der Schule?

Deutschland ist ein Land, das zwar als ein Ganzes wahrgenommen wird, jedoch sehr viele Unterschiede in sich trägt. Nicht nur was Dialekte, kulturelle Eigenheiten und die Geschichte angeht sind die verschiedenen Regionen Deutschlands voneinander zu unterscheiden, auch die Schullandschaft ist dank dem Föderalismus in Deutschland unübersichtlich und kompliziert. Bildung ist Ländersache, das ist das Motto des deutschen Schulsystems. Nun werden aber Stimmen laut, die der Diversität ein Ende setzen wollen, ein Anfang ist bereits da – das Zentralabitur. Aber auch bei den ganz jungen Schülern und Schülerinnen werden standardisierte Tests eingeführt, um den Leistungsstand und die psychologische Schulbereitschaft zu messen. Global gesehen ist Deutschland dennoch immer noch ein Land, das im Bereich der Standardisierung in der Bildung eher zurückhängt. Beispiele wie die USA oder die Ostasiatischen Länder haben diese Idee bereits größtenteils umgesetzt. Internationale Vergleiche sollen außerdem länderübergreifend Orientierung geben. Das bekannteste Beispiel einer standardisierten Leistungserhebung ist wohl die PISA-Studie, die das Thema Bildung mit einem Mal wieder in die Medien und die beite Diskussion gebracht hat. Doch welche Idee steckt hinter der Forderung nach Vergleichbarkeit und Standardisierung? Denn trotz des großen Trend der Vereinheitlichung hält sich die Begeisterung dafür vor allem bei den Betroffenen Lehrern und Lehrerinnen, sowie den Eltern und den Schülern und Schülerinnen eher in Grenzen.

Was soll gemessen werden?

Das Ziel von standardisierten Tests ist das Herstellen von Vergleichbarkeit. Dabei müssen natürlich klare Indikatoren festgelegt werden, die eine bestimmte Fähigkeit, Fertigkeit oder Wissen erfassen sollen. Außerdem müssen Lösungen vorgegebenen und geordnet werden, also muss deutlich werden, welche Antworten als korrekt, genügend oder falsch gelten und wie diese Antworten mit der Punktevergabe oder anderen Instrumenten erfasst werden. Dabei muss darauf geachtet werden, dass der Test dem Wissen und den Leistungen der Getesteten entspricht und diese ihn auch bearbeiten können. Bei einem standardisierten und weitflächigen Test kommt zusätzlich hinzu, dass die oben erwähnten Schritte auf eine sehr große Gruppe von getesteten Personen ausgeweitet werden müssen.

Natürlich muss ein Leistungstest auch die üblichen wissenschaftlichen Gütekriterien erfüllen, wie Objektivität, Reliabilität (Verlässlichkeit des Tests, Wiederholbarkeit) und Validität. Das Kriterium der Validität gibt Auskunft darüber, ob ein Messinstrument auch das misst, was es messen soll. Das klingt zunächst vielleicht banal, erweist sich jedoch vor allem im Hinblick auf die weitreichenden Schlussfolgerungen und Maßnahmen, die auf standardisierte Messergebnisse manchmal folgen, als problematisch.

Was wird tatsächlich gemessen?

Vor allem großflächig angelegte standardisierte Tests, können naturbedingt nur leicht erfassbare und quantifizierbare Faktoren messen. Bei einer Mathematikaufgabe in einem Tests ist, zum Beispiel, meist nur die Lösung relevant, der Weg wird dabei nicht beachtet. Allerdings macht es sehr wohl einen Unterschied, ob diese Lösung auf einem eleganten und einfallsreichen, oder auf einem langen oder auswendig gelerntem Wege erledigt wird. Um eine Leistung zu Beurteilen ist also durchaus nicht nur das Ergebnis relevant. Ein standardisierter Test kann eine ganzheitliche Erfassung jedoch zumeist nicht leisten und begrenzt sich nur auf wenige klar erfassbare Messpunkte. All das, was Bildung außerdem ausmacht, bleibt demnach auf der Strecke und für die Testergebnisse unsichtbar. Das ist zunächst legitim, da großflächige Tests nur mit sehr klaren und konkreten Instrumenten arbeiten können. Das Problem, das standardisierte Testverfahren jedoch vor allem mit sich bringen, liegt jedoch nicht so sehr in der Begrenztheit der Messungen, sondern in deren fehlerhafter Interpretation.

So auch im Fall von PISA, einer Studie zur Leistungserfassung von Schülern und Schülerinnen, die weitreichende Kritik an dem ganzen Schulsystem mit sich brachte. Nur wenige haben sich gefragt, was tatsächlich gemessen wurde und ob diese Ergebnisse aussagekräftig und relevant für die Bildungsdebatte in Deutschland sind.

Pauken für Noten

Das Thema bringt lauter Fragen mit sich, die nicht in einem kurzen Blogeintrag diskutiert werden können. Die Frage, zum Beispiel, welche Bildung wir unseren Kindern bieten wollen und können, und welche Menschen aus ihnen später werden sollen. Denn mit der Einführung von bundesweiten Standards und damit folgendem Konkurrenzkampf (nicht zuletzt hängen auch wirtschaftliche Interessen an den Ergebnissen) fördern wir nicht nur das Konkurrenzdenken schon in den Köpfen von den ganz Kleinen, wir erziehen sie auch zu hörigen Paukern, die die guten Noten als das Ziel ihrer Schullaufbahn ansehen. Nicht zuletzt verderben wir ihnen die Lust am Lernen. Studien zeigen, dass eine Standarsidierung von Leistungsmessungen auch dazu führt, dass sich Schulen zunehmend an quantifizierbaren Aspekten von Unterricht ausrichten und andere, gleich wichtige Aspekte in den Hintergrund rücken. Außerdem bewirkt der Druck, in einem Test gut abzuschneiden, dass kurzfristige erfolgversprechende Strategien, zum Beispiel das Einpauken von Testaufgaben, den langfristigen und ganzheitlichen Strategien vorgezogen werden. Es wird also gelernt, was für den Test wichtig ist. Wenn man dabei bedenkt, wie die Tests entwickelt werden und welch einen kleinen Teil des in der Schule vermittelten Wissens und Könnens sie abfragen, wird deutlich, wie problematisch diese strickte Ergebnisfokussierung ist.

Verwirtschaftlichung des Schulsystems

Wie die Studie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung betont, ist die Übertragung der anscheinend mittlerweile fast alles beherrschenden Marktmechanismen auf das Schulsystem das größte Problem. Der Leistungsvergleich, zunächst nur als Ansporn und Rückmeldung gedacht, erhält in Kombination mit dem großen Leistungsdruck eine enorme Wirkung auf die ganze Gesellschaft. Bereits im zarten Alter produziert unser Schulsystem somit Gewinner und Verlierer, die freie Entfaltung eigener Fähigkeiten und die selbständige Motivierung zum eigenständigen Lernen scheint somit mehr und mehr der Vergangenheit anzugehören.

Sollen standardiserte Tests wieder abgeschafft werden? Wird Deutschland ohne den damit erzeugten Leistungsdruck nicht von anderen Ländern abgehängt? Vor allem in Deutschland haben standardisierte Tests auch ihr Gutes, so fanden Forscher heraus, dass diese den Effekt von Herkunft auf die Schullaufbahn, der in Deutschland bekanntlich sehr hoch ist, verringern können. Die objektive und unpersönliche Auswertung der standardisierten Tests kommt also vor allem Kindern aus nicht-akademischen Haushalten zugute und sorgt für mehr Gleichheit in unserem Schulsystem. In einem Land, in dem die Herkunft eine enorm hohe Auswirkung auf die Bildung der Kinder hat, ist dieser Befund nicht zu unterschätzen. Allerdings sollten standardisierte Leistungstests auch als solche wahrgenommen werden und nicht als Ersatz für die Bewertung des ganzen Schulsystems dienen. Wir sollten nicht aus den Augen verlieren, dass Bildung mehr bedeutet, als das richtige Ankreuzen oder das Erraten von dem, was die Prüfer wahrscheinlich sehen wollen. 

 

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