Rituale in der Schule (4): Schlussphasen von Kleingruppenarbeit gestalten

Rituale in der Schule (4): Schlussphasen von Kleingruppenarbeit gestalten

Je mehr die Konzentration nachlässt, desto anfälliger wird der Unterricht mit Kleingruppen für Störungen. Hier erklärt der Autor und Classroom-Management-Experte Christoph Eichhorn, wie die Kleingruppenarbeit produktiv gelingen kann.

Dieser Beitrag ist der 4. Teil unserer Blogserie: Rituale in der Schule – entspannter unterrichten

 

Das kennt fast jede Lehrkraft: Die Schülerinnen und Schüler (SuS) arbeiten bereits einige Zeit in Kleingruppenarbeit (KG). Aber nach einer gewissen Zeit steigert sich die Unruhe immer mehr. Viele SuS sind gar nicht mehr richtig konzentriert bei der Sache. Die Lehrperson muss immer mehr ermahnen und zurechtweisen. Doch die Anweisungen werden kaum noch gehört und ein geordnetes Beenden der Arbeit, so dass alle Schülerinnen und Schüler gleichzeitig aufhören, ist auch kaum noch möglich.

Mit den folgenden Hinweisen und Tipps gestalten Lehrkräfte Kleingruppenarbeit von Anfang an so, das am Ende alle SuS Ergebnisse zu präsentieren haben.

 

1. Kleingruppenarbeit lieber kürzer halten

Die amerikanische Classroom Management-Literatur empfiehlt lieber eine kurze als eine lange KG-Arbeit. Was ist kurz? In den Klassen 1-6 ist kurz: etwa 3 bis 5 Minuten. Ab der 6. Klasse dagegen: 5 bis 10 Minuten. Letztlich hängt die Dauer einer KG-Arbeit natürlich von der Klasse ab. Die zentralen Fragen sind:

– Wie hoch ist das Selbstregulationspotential meiner SuS?

– Wie hoch ist deren Konzentrationsspanne und Durchhaltevermögen?

– Was ging der KG-Arbeit voraus? 

So reduziert beispielsweise eine Einzelarbeitsphase, die die SuS bereits viel Energie gekostet hat, ihr Selbstregulationspotential und ihre Konzentrationsspanne während der nachfolgenden KG-Arbeit. Auch wenn die SuS eine schlecht ausgefallene schriftliche Prüfung erhalten haben, ein S mit einem Mitschüler einen schweren Konflikt hat oder sich ein S in der Klasse sozial ausgeschlossen fühlt, hat das einen ähnlich energieraubenden Effekt.

Richte die Dauer der KG-Arbeit daher unbedingt nach deinen Erfahrungen mit dieser Klasse aus. Und auf alle Fälle ist es wichtig, dass du die Schlussphase einer KG-Arbeit eng begleitest und die Klasse regelmäßig überblickst.

 

2. Mit Ruheritualen Raum für Mitteilungen schaffen

Es ist für jede L sehr anspruchsvoll, während einer KG-Phase etwas mitzuteilen, das auch von allen SuS wirklich gehört wird. Auch wenn es nicht günstig ist, die SuS beim Arbeiten zu unterbrechen, ist es manchmal einfach nötig, gerade dann eine Anweisung zu geben. So gehst du dabei vor:

1. Stelle zunächst die Aufmerksamkeit aller SuS her, z. B. mit einem Ruheritual.

2. Gebe deine Anweisung erst dann, wenn du die volle Aufmerksamkeit deiner SuS hast. Mehr dazu findest du in dem Beitrag „Rituale in der Schule: Teil 1 Ruheritual“.

3. In schwierigen Klassen ist es sinnvoll, diese Situation mehrfach zu üben. So gehst du vor:

– Du bittest deine SuS sofort, die KG-Arbeit wieder aufzunehmen – oder stattdessen in der KG über ein Thema zu sprechen, dass deine SuS interessiert

– Kurz nachdem deine SuS angefangen haben, sich zu unterhalten, wendest du das Ruhe-Ritual an

– Warte wieder ab, bis es absolut ruhig ist

– Wiederhole diesen Vorgang noch einmal

– Du kannst auch einen Zeitraum definieren, innerhalb dessen es ruhig sein muss. Erfasse zunächst die Zeit, die deine SuS beim letzten Üben gebraucht haben. Teile diese deinen SuS aber nicht mit. Wähle dann eine Zeitspanne aus, die ein bisschen länger ist, damit deine SuS mit einem Erfolgserlebnis starten. Sage dann, so motivierend wie möglich: „Das war schon prima – aber das könnt ihr noch besser. Ich bin mal gespannt, ob ihr es das nächste Mal in XY-Sekunden schafft.“ Stelle einen Timer ein, sobald du das Zeichen zum Ruhe-Ritual gegeben haben.

 

Kleingruppen-Arbeitsphase beenden: Klare Signale definieren

Beende die KG-Arbeit mit einem akustischen Signal, wie z. B.:

– 3-mal laut klingeln: Noch 2 Minuten.

– 2-mal laut klingeln: Noch 1 Minute.

– 1-mal laut klingeln: Alles aus der Hand legen und, je nach Situation, zum Wechsel an den Platz bereit machen. Aber erst losgehen, wenn die L das Zeichen dazu gibt.

Eine alternative Variante: Alle SuS zählen die letzten 10 Sekunden bis auf Null herunter. Bei Null legen sie alles aus der Hand und hören zu, was die L sagt.

Eine weitere Möglichkeit sind Lichtsignale. Wenn du mit dem gelben Licht durch die Klasse gehst, signalisiert das deinen SuS: „Bitte ans Aufhören denken.“ Wenn du darauf das rote Licht zeigst, legen die SuS alles aus der Hand und die KG-Arbeit ist zu Ende.

Generell empfiehlt sich der Einsatz eines Timers. Letzerer gibt deinen SuS nicht nur einen unbestechlichen Überblick über ihre verbleibende Arbeitszeit, es handelt sich dabei auch um eine Art psychologischen Trick: Denn es wirkt auf deine SuS so, als würdest nicht du die KG-Arbeit beenden, sondern der Timer. Damit ziehst du dich ein bisschen aus der Schusslinie, falls SuS ärgerlich werden, weil sie die KG-Arbeit beenden sollen, obwohl sie noch nicht fertig sind. Die Erfahrung zeigt, dass sich SuS schnell an diese Form der Klarheit und Verbindlichkeit gewöhnen.

 

Zusammenfassung: So gelingt die Kleingruppenarbeit

1. Berücksichtige die Selbstregulationskompetenzen deiner SuS und deren Konzentrationsspanne.

2. Richte die Dauer der KG-Arbeit nach den Erfahrungen mit deiner Klasse aus – und nicht nach von außen kommenden Vorgaben.

3. Zeige von Beginn der Kleingruppenarbeit an sehr hohe Präsenz, d. h., sei in deinem Klassenzimmer überall „unterwegs“ – vor allem, um deine SuS frühzeitig und unkompliziert unterstützen zu können; aber auch um zu sehen, ob deine SuS wirklich an der gestellten Aufgabe arbeiten.

4. Überblicke regelmäßig deine Klasse. Langweilen sich schon einige, rutschen einige unruhig auf ihrem Stuhl herum oder sind einige gar nicht mehr bei der Arbeit? Dies ist eine bedeutende Information für dich: Die Energie deiner SuS ist am Versiegen und sie können nicht mehr konzentriert arbeiten.

5. In diesem Fall: Beende die KG-Arbeit. Beachte, dass deine SuS unter diesen Umständen kaum mehr etwas lernen.

6. Führe anschließend eine Unterrichtseinheit durch, die deine SuS wieder aktiviert und ihnen verlorene Energie zurückgibt. In der Regel muss das eine Übung sein, die mit ausreichend und intensiver Bewegung einhergeht, wie z. B. musikunterlegte Bewegung oder Body-Performance bei älteren SuS. Lege dir einen Vorrat an solchen Unterrichtseinheiten an.

 

Wie geht es weiter?

Feedback von SuS an Lehrpersonen ist eine wichtige Informationsquelle. Wie du dieses bedeutsame Instrument einfach und schnell in ritualisierter Form nutzen kannst, zeigt dir der nächste Beitrag. Einen Überblick über alle bisher erschienenen Beiträge findest du hier.

 

Anregungen oder Fragen zum Thema?

Christoph Eichhorn und das Redaktionsteam von meinUnterricht.de freuen sich über dein Feedback! Darüber hinaus ist geplant, im Verlauf der Beitragsserie einmal monatlich auf eure Fragen aus dem Themenkreis Rituale und Routinen einzugehen. Schreibe uns also dein Anliegen zu einer konkreten Unterrichtssituation (Informationen über Klassengröße, Klassenstufe, Hintergründe zu den betreffenden SuS sind dabei hilfreich) an:

classroom-management@meinunterricht.de

 

Über den Autor

Christoph Eichhorn arbeitet seit über 20 Jahren beim Schulpsychologischen Dienst Graubünden, mit Schwerpunkt CLASSROOM-MANAGEMENT (CM) . Er bietet dazu Vorträge, Workshops und Coaching für Lehrpersonen und Schulen an. Darüber hinaus hat er ein CM-Training für die Lehrerfortbildung in Bulgarien und der Slowakei entwickelt. Seine Artikel und Bücher erscheinen in verschiedenen Sprachen.

 

Literatur

Eichhorn, C. (2015): Classroom-Management: Wie Lehrer, Eltern und Schüler guten Unterricht gestalten. Klett-Cotta. 8. Aufl.

Eichhorn, C., von Suchodoletz, A., (2014): Die Klassenregeln. Guter Unterricht mit Classroom-Management. Klett-Cotta, Stuttgart

Marzano, R., Marzano, J., Pickering, D. (2003): Classroom Management that works. Research-based Strategies for every Teacher. Alexandria, USA

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