Mit Zielen arbeiten – Chancen und Risiken (Teil 1)

Auf dem Bild ist eine große Zielscheibe zu sehen, um die herum drei SuS stehen un sitzen, die gemeinsam an ihren Zielen arbeiten.

Mit Zielen zu arbeiten bietet gute Chancen, unsere Schüler*innen zu aktivieren und ihre Lernleistung zu steigern (Roth, Herbst, 2020). Aber selbst wenn sich unsere Schüler*innen Ziele setzen, bedeutet das noch lange nicht, dass sie diese auch erreichen. Das ist sogar bei Erwachsenen oft nicht der Fall (Vohs, Baumeister, 2016). Wir wissen auch, dass die Arbeit an Zielen bei manchen Schüler*innen zu Dauerstress und hoher Belastung führt (z.B. Bastian, 2016; Bergmüller, 2007). Unter welchen Voraussetzungen die Arbeit mit Zielen sinnvoll ist, zeigt euch dieser Beitrag.

Erfolgskriterien für die Arbeit mit Zielen 

Die Arbeit mit Zielen besteht nicht nur darin, die Schulleistung unserer Schüler*innen zu verbessern. Sie ist sinnvollerweise so aufgebaut, dass sie:

  • unseren Schüler*innen frühzeitig Erfolge ermöglicht und ihr Selbstwirksamkeitserleben stärkt,
  • ihr Autonomiestreben berücksichtigt, indem sie mitentscheiden können,
  • unseren Schüler*innen ermöglicht, aktiv zu sein,
  • unseren Schüler*innen ermöglicht, positive Emotionen zu erleben,
  • unsere Schüler*innen dabei unterstützt, Hindernisse zu bewältigen und sie im Umgang mit Fehlern stärkt, indem sie ihre Toleranz für eigene Misserfolge fördert.

Der Arbeit mit Zielen einen für meine Schüler*innen attraktiven Namen geben

Die Schüler*innen halten alle wichtigen Schritte bzgl. ihrer Arbeit mit Zielen auf einem Blatt fest. Einige Schulen bezeichnen diese Unterlage als Lernvereinbarung. Wenn wir aber vermuten, dass der Titel „Lernvereinbarung“ bei einigen unserer Schüler*innen eher negative Emotionen auslösen könnte, weil sie sich mit dem Lernen immer wieder schwer tun, bietet es sich an, einen anderen Titel zu wählen, wie z.B. 

  • „Wie ich in der Schule besser werde“,
  • „Meine Chancen, mich in der Schule zu verbessern“, etc.

Anregung:

Unsere Schüler*innen überlegen in Kleingruppen, welchen Namen sie ihrer Arbeit mit Zielen geben möchten. Die Idee dabei ist, wie so oft im Classroom-Management, „die Schüler*innen zu aktivieren“ oder anders gesagt, „Betroffene zu Beteiligten machen“ und „ein positives Lernklima zu schaffen“. Was wieder einmal zeigt, wie anspruchsvoll der Lehrberuf ist.

Fallbeispiel: In einem Gymnasium fiel einem Schüler statt „Lernvereinbarung“ die Bezeichnung „mein Ziel – meine Challenge“ ein. Das fanden die meisten seiner Mitschüler*innen eine prima Idee und übernahmen es.

Einleitung oder Präambel

Es bietet sich an, eine kurze, auf die Schüler*innen motivierend wirkende Einleitung für die Arbeit mit Zielen zu verfassen, wie z.B. „Schule ist manchmal nicht einfach. Aber wenn ich mit Zielen arbeite, habe ich gute Chancen, mich in der Schule zu verbessern“. Auch bei diesem Schritt können wir unsere Schüler*innen einbinden und aktivieren. Weitere hilfreiche Informationen zu diesem Schritt findest du im Abschnitt „Was ich davon habe, wenn ich mein Ziel erreiche“.

Fallbeispiel: In einer Klasse formulierten die Schüler*innen, „mit Zielen arbeiten macht es mir leichter, zu lernen“.

Sich ein Ziel setzen

Die Schüler*innen überlegen sich ein erstes persönliches Ziel, das sie erreichen möchten.

Ein Ziel in Zwischenziele unterteilen 

Das ist keine Neuigkeit, aber ein sehr wichtiger Schritt. Alle Schüler*innen unterteilen ihr Ziel in Zwischenschritte. Die Lehrperson unterstützt sie dabei, vor allem, wenn die SuS damit noch keine Erfahrungen gemacht haben. Wichtige Kriterien für das erste Zwischenziel sind: 

  • Es soll zeitnah erreichbar sein, damit unsere Schüler*innen frühzeitig einen ersten Erfolg erleben. Auch hier kommt also wieder ein wichtiges Classroom-Management-Tool zur Geltung, nämlich, „unseren Schüler*innen Kompetenzerleben zu ermöglichen“.
  • Es soll so konkret beschrieben sein, dass den SuS klar wird, was genau sie tun werden, also z.B. „Ich bereite mich auf die nächste Mathe-Prüfung drei Wochen lang, von Montag bis Freitag jeweils 10 Minuten vor. Ich notiere täglich auf meinem Trainingsblatt, ob ich das auch wirklich gemacht habe. Wenn ich es an einem Tag mal nicht geschafft haben sollte, dann spreche ich mit meinem Trainingspartner oder meiner Lehrerin darüber“.

Zwischenziele daraufhin untersuchen, ob sie realistisch sind

Dass sich auch Schüler*innen unrealistische Ziele setzen oder sich viel zu viel auf einmal vornehmen, ist nichts Neues und gut nachvollziehbar. 

Fallbeispiel 1: Julius*, ein Neuntklässler, der schon seit Jahren erhebliche Probleme mit Mathematik hatte, sagte: „Ich will jetzt endlich gute Noten in Mathe haben“. Dieser Wunsch ist verständlich, aber wenig realistisch. Wir müssen ja davon ausgehen, dass Julius erhebliche Lernlücken hat, die es ihm erschweren, neue Inhalte zu verstehen. Wenn er deswegen als einer der wenigen Schwierigkeiten dabei hat, neuen Stoff zu verstehen, kann das für Julius kränkend und demotivierend sein. Damit fehlt ihm die nötige Energie, um seinen Lernrückstand aufzuholen und sich mit dem neuen Thema intensiv zu befassen. Bei der nächsten Prüfung besteht dann das Risiko, dass die Note wieder schlecht ist. Dann ist es nicht überraschend, wenn Julius enttäuscht ist und eventuell sogar beginnt, grundsätzlich an sich zu zweifeln. Es besteht daher das Risiko, dass er nicht weiter an seinem Ziel arbeiten möchte. Zusätzlich kann eine Generalisierung dazu führen, dass er die Arbeit mit Zielen generell für sinnlos erachtet – das wollen wir aber nicht. Was können wir tun?

Fallbeispiel 2: In einer Schule arbeiten die Schüler*innen in Kleingruppen am Thema Ziele. Dort ist auch immer wieder einmal die Lehrperson anwesend, ähnlich wie das in einigen Schulen, die mit Lern-Coaching arbeiten, bereits der Fall ist. Die Schüler*innen stellen sich gegenseitig ihr Ziel und ihre Zwischenziele vor und überlegen, ob sie realistisch sind. Die Lehrperson schaltet sich ein, wenn sie vermutet, dass sich jemand ein unrealistisches Zwischenziel gesetzt haben könnte. Eine Lehrperson sagte in einer solchen Situation: „Schön, dass du dir dieses Zwischenziel gesetzt hast, Juan. Ehrlich gesagt, finde ich es aber sehr anspruchsvoll. Wie wäre es, wenn du erst einmal mit einem kleineren Ziel anfängst und später mit diesem Ziel weiter machst?“.

Was ich davon habe, wenn ich mein Ziel erreiche

Die Schüler*innen besprechen, welche Vorteile sie davon haben, wenn sie ihr Ziel (und ihre Zwischenziele) erreichen. Wenn einzelnen Schüler*innen dazu nichts einfällt, können die Mitschüler*innen und die Lehrperson sie dabei unterstützen und eigene Ideen einbringen. 

Fallbeispiel: Eine Lehrperson hat zum Ziel „Hausaufgaben machen“ gesagt: „Neulich hat mir eine Schülerin, die das Ziel hatte, regelmäßig ihre Hausaufgaben zu machen, gesagt: ,Es geht mir besser, wenn ich meine Hausaufgaben gemacht habe. Denn wenn ich meine Hausaufgaben nicht mache, stresst mich das manchmal so sehr, dass ich nachts nicht mehr gut schlafen kann.’ Kennst du das oder ähnliches? Könnte es bei dir auch so sein, dass du dich besser fühlst, wenn es dir gelingt, regelmäßig deine Hausaufgaben zu machen?“. 

Ziele können Stress auslösen

Sich Ziele zu setzen kann sehr hilfreich und motivierend, für einige Schüler*innen aber auch belastend sein. Um gegenzusteuern bieten sich z.B. Einzel- oder Kleingruppengespräche mit diesen Schüler*innen an.

Fallbeispiel: Frau Peters sagte zu Sheyma, bei der sie vermutete, dass es sie unter Druck gesetzt hat, ihr Zwischenziel zu erreichen: „Hat es dir geholfen, dir Ziele zu setzen – oder hat dich dein Zwischenziel unter Druck gesetzt? Das kommt nämlich auch immer wieder vor”.

Ideen dabei sind:

  • Wir gehen aktiv auf unsere Schüler*innen zu und sprechen sie auf mögliche Schwierigkeiten an. Damit wollen wir vermeiden, dass diese Schwierigkeiten so groß werden, dass der Schüler oder die Schülerin sie nicht mehr bewältigen kann und dann enttäuscht mit der Arbeit an seinem oder ihrem Ziel aufhört.
  • Wir wollen unsere Schüler*innen dabei unterstützen, mit Zielen zu arbeiten. Aber so, dass sie dabei eigene Überlastung wahrnehmen, dazu stehen, und überlegen, wie sie diese reduzieren können.

Die schriftliche Befragung

Schriftliche Befragungen sind eine gute Möglichkeit mehr über unsere Schüler*innen zu erfahren. Sie können uns dabei helfen, herauszufinden, wie sich unsere SuS fühlen, was sie denken, ob es ihnen in unserer Klasse gut geht, was sie stresst usw. Ein weiterer wichtiger Vorteil ist, dass die schriftliche Befragung unseren Schüler*innen erlaubt, zuzugeben was sie belastet, stresst etc., ohne dass die ganze Klasse davon erfährt und eventuell mit unangemessenen Kommentaren reagiert, wie das bei einem Klassengespräch geschehen kann (Eichhorn, 2018). 

In zwei Wochen geht es weiter mit dem zweiten Teil zum Thema „Mit Zielen arbeiten – Chancen und Risiken”.

 

*Die Namen aller Beteiligten sind anonymisiert

 

​​Über den Autor

Christoph Eichhorn ist Lehrbeauftragter für Classroom-Management an Universitäten und Pädagogischen Hochschulen in Deutschland, der Schweiz und Österreich. Er bietet Workshops und Vorträge zu Themen wie „Interventionen bei Stören“ oder „Classroom-Management“ an. www.classroom-management.ch 

Sein wichtigstes Buch

Eichhorn, C. (2028 A): Classroom-Management Basiswissen Kompakt: Stören

  • Die wirksamste Störungsprävention
  • Interventionsleitlinien bei kleinen Störungen
  • Interventionsleitlinien bei großen Störungen (2018)

buchcover_eichhorn

2. überarbeitete Auflage.

Das Buch kann nur über Amazon bezogen werden.

Literatur

Bastian, N. (2016): Stress in der Schule für Schüler und Lehrer. Stressbewältigung aus psychologischer Sicht. Grin Verlag. 

Bergmüller, S. (2007): Schulstress unter Jugendlichen: Entstehungsbedingungen, vermittelnde Prozesse und Folgen: Eine empirische Studie im Rahmen von PISA 2003 (Studien zur Stressforschung). Dr. Kovac Verlag.

Eichhorn, C. (2018):   Classroom-Management Basiswissen Kompakt: Stören. Die wirksamste Störungsprävention. Interventionsleitlinien bei kleinen Störungen. Interventionsleitlinien bei großen Störungen. CreateSpace Independent Publishing Platform, 2. Überarbeitet Auflage.

Oettingen, G. (2017): Die Psychologie des Gelingens (Deutsch) Taschenbuch, Droemer, TB, 2. Auflage.

Roth, G.,Herbst, H. (2020): Warum es so schwierig ist, sich und andere zu ändern: Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten. Klett-Cotta, 2. Aufl.

Segal, E. A. et al.: Developing the Social Empathy Index: An Exploratory Factor Analysis. In:

Advances in Social Work, Vol. 13, No. 3, 2012

Taylor, S., Pham, L. (1999): The effect of mental simulation on goal-directed performance. In: Imagination, Cognition and Personality. Vol 18, 4, 253-268

Vohs, K., Baumeister, R. (2016). Handbook of Self-Regulation, Third Edition: Research, Theory, and Applications. Guilford Publications; Auflage: 3 New Edition.

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