Mit Zielen arbeiten – Chance und Risiko (Teil 2)

Auf dem Bild sind zwei SchülerInne zu sehen, die gemeinsam an ihren Zielen arbeiten.

Im zweiten Teil des Beitrages geht es um mögliche Hindernisse, denen die Schülerinnen und Schüler gegenüberstehen, wenn sie ihre Ziel erreichen möchten. Zusätzlich werden anhand von Fallbeispielen Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt, die es sowohl der Lehrkraft als auch den SchülerInnen erleichtern, diese Hindernisse zu bewältigen.

Wie ich mein Ziel (Zwischenziel) so erreiche, dass ich mich dabei wohlfühle

Ziele können einige SchülerInnen auch unter erheblichen Druck setzen. Hier gilt es, dieses Risiko einzugrenzen. Die SuS besprechen wieder in Kleingruppen: „Wie kann ich mein Ziel so erreichen, dass ich mich dabei wohl fühle – auch wenn das schwierig ist“. Bitte erwarte nicht, dass die SuS alle Vorschläge direkt selbst umsetzen können. Es wird bei einigen SchülerInnen länger dauern, bis sie in der Lage sind, hier Fortschritte zu machen. Natürlich bleiben wir mit unseren SuS zu diesem Thema im Gespräch.

Oft bietet es sich an, die Eltern der Kinder einzubinden. Allerdings können Eltern, die sehr ehrgeizig sind, was die Schulleistungen ihres Kindes anbelangt, oder sich große Sorgen um dessen schulische Entwicklung machen, auch großen Druck auf ihr Kind ausüben und es dadurch ungewollt belasten und in seiner Lernentwicklung behindern. Die SchülerInnen sollten daher mit unserem Vorschlag, ihre Eltern einzubeziehen, einverstanden sein.

Mögliche Hindernisse und wie man diese bewältigt

Exkurs: Hindernisse bewältigen

Die eigene Vorstellungskraft ist das beste Mittel, um Vorsätze erfolgreich umzusetzen. Sie ermöglicht uns, bereits heute Lösungen für die Probleme von morgen zu entwerfen. Eine der wichtigsten Studien zu diesem Thema stammt von Taylor and Pham (1999):

Sie arbeiteten mit Studierenden, die ihr Lernverhalten verbessern wollten und bildeten drei Gruppen. 

Gruppe 1 – Die Visionen-Gruppe: Die TeilnehmerInnen der „Visionen-Gruppe“ instruierten Taylor und Pham, sich ihr Ziel vor Augen zu führen. Sie sollten sich vorstellen, wie sie nach einer guten Examensnote die Glückwünsche ihrer Eltern, Freunden, Bekannten usw. entgegennehmen und mit sich selbst zufrieden sind.

Gruppe 2 – Die Hindernisse-bewältigen-Gruppe: In dieser Gruppe sollten sich die Studierenden im ersten Schritt notieren, was sie vom Lernen abhalten könnte, wie beispielsweise schönes Wetter, eine durchzechte Nacht, eine Verabredung oder fehlende Lust zum Lernen. Im nächsten Schritt stellten sie sich im Rahmen eines Mentaltrainings vor, wie sie trotzdem vor ihren Büchern sitzen bleiben würden und sich nicht durch derartige Hindernisse vom Lernen abbringen ließen.

Um Hindernisse durch gezielte Vorsätze zu bewältigen, eignet sich das: Das „wenn…, dann…“-Konzept von Oettingen (2017).

Fallbeispiel: Einem Schüler fiel es schwer, am Nachmittag mit den Hausaufgaben anzufangen. Er vereinbarte mit seiner Lehrerin und seinen Eltern an jedem Tag zur gleichen Zeit zu beginnen, auch wenn er keine Lust hat. Seine Bewältigungsstrategie lautete: „Wenn ich keine Lust habe, die Hausaufgaben zu machen, was durchaus normal ist,

  • dann mache ich mir erst einmal klar, welche Vorteile ich habe, wenn ich sie trotzdem mache,
  • dann richte ich in Ruhe meinen Arbeitsplatz her,
  • dann stelle ich die Aufgaben zusammen und fange mit der leichtesten an. Wenn ich die leichteste Aufgabe bearbeitet habe, darf ich mir ein Kompliment machen, wie z.B.: ,Die erste Aufgabe hast du schon geschafft – prima. Jetzt darfst du eine kleine Pause machen, wenn du möchtest, und dich wohl fühlen. (Aber nicht das Handy anmachen)’”.

Gruppe 3 – Kontrollgruppe: Die dritte Gruppe erhielt kein Training.

Welche Gruppe war am erfolgreichsten? Natürlich die zweite. Ihre Mitglieder waren sogar auf schlechte Noten vorbereitet. Ihre Strategie: „Bei schlechten Noten lerne ich einfach weiter“. Deshalb wurden sie besser. Damit konnten die Studierenden der „Visionen-Gruppe“ nicht mithalten. In dem Moment, in dem ihre Vision von einer guten Note nicht mit dem tatsächlichen Ergebnis übereinstimmte, war die Motivation der Betroffenen schnell wieder verloren.

Haupthindernisse sind

Etwas für den Schüler Attraktives kommt dazwischen.

Fallbeispiel: Pit hat das Ziel, sich frühzeitig auf eine Prüfung vorzubereiten. Zwei Tage hat er es schon gut gemacht. Am dritten Tag ruft ihn sein Freund an, als er gerade mit der Prüfungsvorbereitung begonnen hat und schlägt ihm vor, eine Tour mit dem Mountainbike zu machen. Pit ist begeisterter Mountainbike-Fahrer und das Wetter ist auch perfekt. Da kann er nicht Nein sagen und fängt sofort an, sich fertig zu machen, weil gleich sein Freund kommen wird, um ihn abzuholen. 

Im nächsten Kleingruppengespräch, an dem auch sein Lehrer teilnimmt, berichtet Pit von dem Vorfall. Sein Lehrer gibt ihm erst einmal Anerkennung für seine Ehrlichkeit: „Mich beeindruckt sehr, dass du so ehrlich zu dir und zu uns bist, Pit – vielen Dank!“. Dann bittet er Pits MitschülerInnen davon zu berichten, ob ihnen so etwas auch schon mal passiert sei. Und tatsächlich, zwei weitere MitschülerInnen berichten ähnliches. Ein guter Anlass für den Lehrer, den Ball an seine SchülerInnen zurückzugeben. Er bittet sie darum, zusammen zu überlegen, was jeder daraus lernen kann, wie z.B. das Handy während des Lernens abzuschalten.

Der Schüler hat nach einiger Zeit keine Lust mehr, an seinem Ziel zu arbeiten.

Das ist ganz normal und nichts Ungewöhnliches. Selbst wenn SchülerInnen einmal sehr motiviert waren, an ihrem Ziel zu arbeiten, kann es geschehen, dass diese Motivation abnimmt. Klar ist, dass Motivation keine konstante Größe ist, sondern erheblichen Schwankungen unterliegt. 

Dann bietet es sich beispielsweise an, Leid-Anerkennung zu zeigen, indem wir sagen: „Ja, es kann sehr schwer sein, ein Ziel zu erreichen – das geht vielen so“. Unter Leid-Anerkennung bzw. sozialer Empathie (Segal, 2012) versteht man die Fähigkeit, Menschen in ihrem Kontext zu verstehen, oder alltagssprachlich, Einfühlsamkeit zu zeigen. Und im Anschluss könnten wir sagen: „Ich überlege mir gerade, wie du es trotzdem schaffen kannst, dein Ziel zu erreichen. Hast du vielleicht schon eine Idee?“. Gründe für die zurückgegangene Motivation können sein, dass das Ziel zu anspruchsvoll ist, dem Schüler die Vorteile zu wenig klar sind oder er anders an sein Ziel herangehen muss.

Der Schüler ist nicht gut organisiert bzw. vorbereitet. 

Typisch ist hier, dass SchülerInnen bestimmte Unterlagen, die sie benötigen, z.B. in der Schule vergessen haben. Solche Vorkommnisse sind aber sehr wichtige Lernanlässe und kein Grund dafür, die Betroffenen zu kritisieren oder ihnen Vorwürfe zu machen. Wie eine Lehrperson stattdessen reagieren kann, haben wir im Fallbeispiel von Pit, dem Mountainbiker, gesehen.

Nicht alle Hindernisse sind einfach zu bewältigen.

Fallbeispiel: Eine Schülerin hatte als Ziel, regelmäßig die Hausaufgaben zu machen. Dann stellte sich aber heraus, dass ihre dreijährige Schwester sie immer wieder störte, indem sie in ihr Zimmer kam. Hier bietet es sich an, die Schülerin zu unterstützen und auch ihre Eltern um Hilfe zu bitten. Das klappt nicht immer, wie in einem Fall, wo die Mutter nachts arbeiten musste und am Vormittag gegen 10 Uhr zu Bett ging. Deshalb konnte sie sich in der Zeit, in der die Schülerin ihrem Ziel nachgehen wollte, nicht um ihre kleine Schwester kümmern.

Wenn wir aber SchülerInnen begleiten, ihre Erfolge würdigen und ihre Eltern als bedeutsame Partner einbeziehen, dann lassen sich dadurch ihre bereits erzielten Erfolge oft noch verbessern und stabilisieren.

Die SchülerInnen protokollieren, ob sie auf dem richtigen Weg sind

Die SchülerInnen arbeiten wieder in Kleingruppen an dieser Frage. Natürlich haben wir als Lehrpersonen auch Ideen, was unsere SuS tun könnten, wie zum Beispiel, dass sie notieren, wie sie vorankommen. Das fällt aber vielen unserer SchülerInnen auch selbst ein. Deshalb warten wir am besten erst einmal ab, auf welche Ideen unsere SuS kommen. 

Dann bietet es sich wieder an, etwas für die gute Stimmung bei der gemeinsamen Arbeit an Zielen zu tun, indem wir die Ideen unserer SchülerInnen loben. Wir unterstützen sie darin, mit unkomplizierten Methoden zu arbeiten, sodass sie ihre Ziele z.B. auf einer Liste abhaken, wenn sie sie erreicht haben. Die Liste gestalten die SchülerInnen selbst. Sie soll unkompliziert und für sie attraktiv gestaltet sein.

Einen Plan B haben

Fallbespiel: Herr Hansen sagte zu den SchülerInnen seiner Kleingruppen: „Letztes Jahr haben wir auch mit unseren SchülerInnen über Ziele gesprochen, so wie wir es jetzt gemacht haben. Obwohl die meisten sehr gut mitgemacht haben, kam es vor, dass einige ihr Ziel nicht erreichen konnten. Das ist leider oft so. Ich möchte natürlich nicht, dass ihr eure Ziele nicht erreicht – im Gegenteil. Aber wenn es doch vorkommen sollte, möchte ich mit euch jetzt darüber nachdenken, wie dann euer Plan B aussieht. Dann seid ihr nämlich zumindest schon ein bisschen auf diese Situation vorbereitet und seid dann weniger enttäuscht. Deshalb ist ein Plan B wichtig – wie seht ihr das?“. Dann überlegten die SchülerInnen in ihren Kleingruppen, wie ihr Plan B aussehen könnte. Einige Wochen später ließ Herr Hansen seine SchülerInnen noch einmal darüber nachdenken, ob sie an ihrem Plan B festhalten wollen oder ob ihnen inzwischen ein anderer Plan eingefallen ist.

Ein Plan B hilft vielen Menschen dabei, die Enttäuschung über ein nicht erreichtes Ziel schneller zu überwinden.

Die Sinnfrage

Diese Frage richtet sich vor allem an solche älteren Schülerinnen und Schüler, von denen wir vermuten, dass sie nur deshalb in die Schule gehen, weil Schulpflicht besteht. Daneben signalisiert die Frage aber beispielsweise auch SchülerInnen an Gymnasien ein Interesse an ihnen. Wenn wir in unserer Klasse SchülerInnen haben, von denen wir vermuten, dass sie gar nicht in die Schule gehen möchten und nur gehen, weil es sein muss, dann bietet es sich an, dies in einem Einzelgespräch anzusprechen. 

Fallbeispiel: Eine Lehrperson fragte einen ihrer Schüler: „Was bringt dir eigentlich die Schule?“. Darauf antwortete er: „Gar nichts“. Was jetzt? Hier bietet sich zunächst einmal die Standardantwort an: „Gut, dass du es gesagt hast – was meinst du damit?“. Ziel ist, mit dem Schüler über mögliche Gründe seiner Schulverdrossenheit ins Gespräch zu kommen. Das können z.B.schlechte Noten, Streit mit Mitschülern oder subjektiv sehr stark erlebte fehlende Anerkennung sein (Eichhorn, 2018).

Mögliche weitere Fragen sind:

  • „Hast du schon Pläne für die Zeit nach der Schule?”
  • „Wenn du davon überzeugt bist, dass dir die Schule nichts bringt, du aber trotzdem jeden Tag hingehst, viel Zeit in der Schule verbringst, unseren Fairness-Code versuchst einzuhalten und Hausaufgaben machst, dann kann ich mir gut vorstellen, dass das Schwerstarbeit für dich ist, oder? Wie schaffst du das alles?“
  • „Freut mich, dass du das alles machst, obwohl, wenn es nach dir ginge, du das gar nicht machen würdest. Kann ich dich irgendwie unterstützen?“
  • „Ich verstehe, dass Rechnen Lernen sehr schwer sein kann, das geht ja vielen so. Aber findest du nicht auch, dass es dann doch gut ist, wenn man es kann?“

Schließlich bietet es sich an, dem Schüler zu erklären, dass wir ihn nicht aus der Schule entlassen können und ihn dann eventuell zu fragen: „Wie kannst du denn die Zeit, die du in der Schule verbringen musst, für dich einigermaßen sinnvoll verbringen?“. Damit versuchen wir, dem Schüler den Schulbesuch zumindest ein bisschen attraktiv zu machen. Wenn der Schüler einen Freund in der Klasse hat, der eine positivere Haltung zur Schule hat, könnten wir diesen auch zum Gespräch einladen und ihn fragen, was ihm die Schule bringt. Eventuell haben seine Antworten einen positiven Effekt auf den Schüler, der von der Schule nichts hält. 

Die KollegInnen informieren: Informationen über solche SchülerInnen können für unsere KollegInnen sehr wichtig sein und deren Verständnis für sie fördern. Dann versteht man eventuell leichter, dass der Schüler öfter mal stört oder seine Hausaufgaben nicht gemacht hat. Das hilft vielen Lehrpersonen dabei, ruhiger und gelassener zu intervenieren, einer der wichtigsten Aspekte bei der Intervention bei Unterrichtsstörungen (Eichhorn, 2118).

Eine weitere Möglichkeit, dem Schüler zu helfen, ist eine Kleingruppe mit Schülerinnen und Schülern zu bilden, denen es ähnlich ergeht und dort mit ihnen zu überlegen, wie sie ihre Schulzeit für sich sinnvoll verbringen können. Dabei ist es wichtig, sich mit eigenen Vorschlägen zurückzuhalten und die SchülerInnen selbst überlegen zu lassen, auch wenn es länger dauern kann, bis ihnen dazu etwas einfällt.

*Die Namen aller Beteiligten sind anonymisiert.

​​Über den Autor

Christoph Eichhorn ist Lehrbeauftragter für Classroom-Management an Universitäten und Pädagogischen Hochschulen in Deutschland, der Schweiz und Österreich. Er bietet Workshops und Vorträge zu Themen wie „Interventionen bei Stören“ oder „Classroom-Management“ an. www.classroom-management.ch 

Sein wichtigstes Buch

Eichhorn, C. (2028 A): Classroom-Management Basiswissen Kompakt: Stören

  • Die wirksamste Störungsprävention
  • Interventionsleitlinien bei kleinen Störungen
  • Interventionsleitlinien bei großen Störungen (2018)

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2. überarbeitete Auflage.

Das Buch kann nur über Amazon bezogen werden.

Literatur

Bastian, N. (2016): Stress in der Schule für Schüler und Lehrer. Stressbewältigung aus psychologischer Sicht. Grin Verlag. 

Bergmüller, S. (2007): Schulstress unter Jugendlichen: Entstehungsbedingungen, vermittelnde Prozesse und Folgen: Eine empirische Studie im Rahmen von PISA 2003 (Studien zur Stressforschung). Dr. Kovac Verlag.

Eichhorn, C. (2018):   Classroom-Management Basiswissen Kompakt: Stören. Die wirksamste Störungsprävention. Interventionsleitlinien bei kleinen Störungen. Interventionsleitlinien bei großen Störungen. CreateSpace Independent Publishing Platform, 2. Überarbeitet Auflage.

Oettingen, G. (2017): Die Psychologie des Gelingens (Deutsch) Taschenbuch, Droemer, TB, 2. Auflage.

Roth, G.,Herbst, H. (2020): Warum es so schwierig ist, sich und andere zu ändern: Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten. Klett-Cotta, 2. Aufl.

Segal, E. A. et al.: Developing the Social Empathy Index: An Exploratory Factor Analysis. In:

Advances in Social Work, Vol. 13, No. 3, 2012

Taylor, S., Pham, L. (1999): The effect of mental simulation on goal-directed performance. In: Imagination, Cognition and Personality. Vol 18, 4, 253-268

Vohs, K., Baumeister, R. (2016). Handbook of Self-Regulation, Third Edition: Research, Theory, and Applications. Guilford Publications; Auflage: 3 New Edition.

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