Dyskalkulie: Definition, Symptome und Fördermöglichkeiten

Dyskalkulie: Definition, Symptome und Fördermöglichkeiten

Stell dir vor, du müsstest das Rechnen jeden Morgen von neuem lernen. So geht es Menschen mit Dyskalkulie, einer angeborenen Rechenstörung, von der etwa 5–7 % der Weltbevölkerung betroffen sind. Wie du als Lehrkraft mit dieser Lernstörung umgehen und deine SchülerInnen mit Dyskalkulie gezielt unterstützen kannst, erfährst du in unserem Beitrag.

Legasthenie ist den meisten ein Begriff, doch dass sie einen unbekannten Zwilling namens Dyskalkulie hat, wissen auch viele Lehrkräfte und Fachleute nicht. Grund genug, das Thema einmal genauer unter die Lupe zu nehmen und dir als Lehrkraft einige nützliche Tipps mit an die Hand zu geben.

Was ist Dyskalkulie?

Unter einer Dyskalkulie versteht man allgemein eine angeborene Rechenstörung. Die Fähigkeit zum mathematischen Denken ist dabei stark beeinträchtigt, sodass die Teilnahme am Schulunterricht erheblich erschwert wird. Auch im Alltag haben Betroffene meist starke Probleme, da sie Zahlen nicht als relationales System, sondern als Symbole wahrnehmen.

Schätzungen zufolge sind 5–7 % der Weltbevölkerung von einer Dyskalkulie betroffen. Die WHO hat Dyskalkulie als eigenständiges Krankheitsbild (F81.2) definiert. In Deutschland gibt es keine einheitliche Definition, ob Dyskalkulie als Krankheit, Behinderung oder lediglich als Teilleistungsstörung im schulischen Bereich zu sehen ist. Dementsprechend unterscheiden sich die Fördermöglichkeiten von Bundesland zu Bundesland.

Wie erkennt man eine Dyskalkulie in der Schule? (Symptome)

Je nach Alter des Kindes gibt es unterschiedliche Symptome, die auf eine Dyskalkulie hindeuten können. Gemeinsam ist jedoch allen, dass die Entwicklung eines grundlegendes Verständnisses für Zahlen ausbleibt.

Dyskalkulie-Symptome im Kindergarten

  • Mengenangaben wie „mehr”, „weniger” oder „gleich viel” können nicht zugeordnet werden
  • Schwierigkeiten beim Abzählen von Gegenständen

Dyskalkulie-Symptome in der Grundschule

  • Zahlen können nicht korrekt benannt werden
  • Zahlen werden nicht richtig geschrieben
  • Rechenaufgaben werden durch Abzählen mit den Fingern gelöst
  • Häufiges Auswendiglernen von Rechenwegen, das dann bei Änderung der Aufgabenstellung auffällt
  • Übersetzen von Textaufgaben in Zahlen fällt schwer
  • Probleme beim Lesen der Uhr
  • Dezimalsystem wird nicht richtig angewendet (420 – Vierundzwanzig)

Die Schwierigkeiten beschränken sich nicht nur auf den Mathematikunterricht. Auch in den Naturwissenschaften wie Physik, Chemie und Biologie wird viel mit Zahlen gearbeitet, ebenso wie in Erdkunde.

Dieses Video von psychologeek fasst die Symptome der Dyskalkulie noch einmal sehr ausführlich zusammen.

Wer diagnostiziert Dyskalkulie?

Eltern sind oft ratlos, wenn ihr Kind beim Rechnen hinter den Erwartungen zurückbleibt. Viele investieren Geld in Nachhilfe und verdrängen die Möglichkeit, dass eine angeborene Rechenschwäche hinter den Problemen stecken könnte. Dabei ist eine (möglichst frühe) Diagnostik hilfreich, um das Kind vor Stigmatisierung und Versagensängsten zu bewahren.

Folgende zwei Personengruppen können Dyskalkulie bei Kindern nach der S3-Leitlinie diagnostizieren:

  • Kinder- und JugendpsychiaterInnen
  • Kinder- und JugendpsychotherapeutInnen

Die Diagnostik umfasst nach der festgelegten Richtlinien drei Schritte:

  1. Elterngespräch
  2. Intelligenztest
  3. Rechentest

Der Intelligenztest soll ausschließen, dass eine Beeinträchtigung der Intelligenz der Grund für die Rechenleistungen sind. Vielleicht kannst du als Lehrkraft Eltern über die Möglichkeit einer Diagnostik aufklären, denn leider wird sie noch viel zu selten in Anspruch genommen.

In vielen Bundesländern kann ein kostenloser Dyskalkulie-Test über die Landesschulämter gemacht werden. Informiere dich!

Eine Zeichnung auf einer Tafel mit dem Inhalt 1+1=3.

© George Becker / Pexels

Wie laufen Förderung und Therapie von Dyskalkulie ab?

Dyskalkulie ist angeboren und nicht heilbar. Umso wichtiger ist es, frühzeitig mit einer individuellen Therapie zu beginnen. Wenn eine Dyskalkulie unbehandelt bleibt, erhöht sich das Risiko für Begleiterkrankungen, sogenannte Komorbiditäten.

Ein Beispiel wäre ein Schulkind, das zusätzlich zur Dyskalkulie eine depressive Störung oder eine Angststörung entwickelt, weil seine Rechenschwäche in der Schule nicht ernst genommen wird.

Eine Therapie von Dyskalkulie hat meistens zwei Komponenten:

  1. Vermittlung von Lernstrategien
  2. Förderung emotionaler Stabilität

Die beiden Schwerpunkte können durchaus von zwei verschiedenen TherapeutInnen bearbeitet werden, zum Beispiel von einer Dyskalkulie-Therapeutin und einem Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten.

„Dyskalkulie-TherapeutIn” ist kein geschütztes Berufsbild, sodass viele TherapeutInnen in dem Bereich ohne entsprechende Qualifikation arbeiten. Der Bundesverband Legasthenie & Dyskalkulie hat allerdings ein Weiterbildungsangebot entwickelt und ist auch bei der TherapeutInnen-Suche behilflich.

Da es in Schulen bislang kaum Fördermöglichkeiten für Dyskalkulie gibt, müssen die meisten Eltern therapeutische Hilfe für ihr Kind eigenständig organisieren. Eventuell kannst du als Lehrkraft bei diesem Prozess helfen.

Besonders hilfreich ist dafür die Broschüre „Dyskalkulie in der Schule”, die als Handreichung vom Bundesverband Legasthenie & Dyskalkulie herausgegeben und regelmäßig aktualisiert wird.

Ein Junge steht mit gesenktem Kopf vor einer Tafel, auf der Mathematikaufgaben angeschrieben sind.

© Karolina Grabowska / Pexels

Dyskalkulie und schulischer Nachteilsausgleich

Nachteilsausgleiche sind im deutschen Sozialrecht (§209 SGB) verankert. Sie sollen Menschen mit Behinderungen helfen, um den ihnen entstandenen Nachteil an gesellschaftlicher Teilhabe auszugleichen. Im schulischen Bereich bedeutet dies häufig einen Notenschutz für betroffene Kinder. Bei der Legasthenie (Lese-Rechtschreib-Schwäche) ist dieser Nachteilsausgleich bereits etabliert, bei der Dyskalkulie nicht. Denn ob Dyskalkulie eine Behinderung darstellt, darüber gibt es unterschiedliche Ansichten.

Manche Bundesländer wie Bayern und Berlin haben daher eigene Wege gefunden, um betroffene SchülerInnen zu unterstützen:

  • bis zu 25 % mehr Zeit für die Bearbeitung von Aufgaben.
  • Erlaubnis, Hilfsmittel wie Taschenrechner zu benutzen.
  • Aussetzen der Benotung in Mathematik bis zu einer bestimmten Klassenstufe.

Wichtig ist, ob es in deinem Bundesland einen ministeriellen Erlass zur Dyskalkulie gibt, oder nicht. Hier solltest du dich zunächst informieren und dann das Gespräch mit der Schulleitung suchen, falls du SchülerInnen mit diagnostizierter oder vermuteter Dyskalkulie unterrichtest.

Die meisten Erlasse geben den Schulen freie Hand bei der Umsetzung. Leider führt dies oft dazu, dass das Thema hintenangestellt wird, was für die betroffenen Kinder natürlich nachteilig ist.

Dyskalkulie gibt es auch im Erwachsenenalter

Die meisten Kinder entwickeln ziemlich ausgeklügelte Strategien, um ihre Dyskalkulie zu verstecken und tragen diese bis ins Erwachsenenalter weiter.

Was es bedeutet, erst im Erwachsenenalter mit Dyskalkulie diagnostiziert zu werden, zeigt dir eindrucksvoll dieses Video. Die Protagonistin Christina wurde erst im Alter von 21 Jahren mit Dyskalkulie diagnostiziert und beschreibt ihre schwierige Schulzeit.

Du siehst: je früher das Thema Dyskalkulie auf den Tisch kommt, desto besser. Wenn du den Verdacht hast, dass ein von dir unterrichtetes Kind von der Rechenstörung betroffen ist, empfehlen wir dir, den Kontakt zu den Eltern und zur Schulleitung zu suchen. In einem gemeinsamen Gespräch solltet ihr dann das weitere Vorgehen besprechen.

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